Freitag, 2. März 2012

Die Wahrheit über die Computersucht

Die Wahrheit über die Computersucht
Blass, nervös und isoliert: Computersüchtige haben ihr Leben nicht mehr im Griff. Ein Berliner Sozialpädagoge berichtet auf WELT ONLINE von seinen Begegnungen mit besonders heftigen Fällen – und erklärt, wie er den PC-Junkies neue Hoffnung gegeben hat.
Ich bin kein Kulturpessimist. Viele Computerspiele, die auf den Markt kommen, finde ich hoch spannend und grafisch großartig gestaltet. Und natürlich ist nicht jeder, der viel Zeit vor dem Computer verbringt, gleich ein Süchtiger. Einige aber verlieren völlig die Kontrolle. Ein 19-Jähriger, der kürzlich zu uns in die Gruppe kam, hatte über einen Zeitraum von zwei Jahren 300 Tage (in Stunden zusammengerechnet) das Online-Rollenspiel „World of Warcraft“ gespielt.
Er war blass und kam mit deutlichem Untergewicht zu uns. Er hatte vor dem Bildschirm immer wieder vergessen zu essen. Tag und Nacht hatte er gespielt. Erst flog er von der Schule, lebte dann einige Zeit von Hartz IV, kam schließlich den Anforderungen des Jobcenters nicht mehr nach. Irgendwann konnte er seine Rechnungen nicht mehr zahlen, und ihm wurde der Strom abgedreht. Er musste spielen, immer mehr und zu jeder Zeit, um auf ein Glücksgefühl zu kommen.

Manche Computerspieler verlassen den Computer nicht einmal mehr, um auf die Toilette zu gehen. Sie pinkeln in Flaschen, um beim Spiel nichts zu verpassen. Jede Sekunde, in der ihr Teilnehmerstatus im Online-Rollenspiel auf AFK (Away from Keyboard) steht, gefährdet den Spielerfolg. Es droht der totale Realitätsverlust. Süchtige fallen aus der Zeit. Schüler kommen nach den Ferien eine Woche zu spät in die Schule, Angestellte vergessen nach dem Wochenende wieder zur Arbeit zu gehen.
Unser 19-Jähriger war ein wahrer Meister im Spiel „World of Warcraft“. Hier kreiert man über einen langen Zeitraum hinweg einen sogenannten Avatar, ein virtuelles Ich, und konkurriert oder paktiert im Netzt mit anderen Spielern. Die sozialen Kategorien des wirklichen Lebens werden hier abgebildet. Es geht um Anerkennung, Respekt, Hierarchien, Macht und sozialen Aufstieg. Der junge Mann war ein richtiger Krieger und genoss es, in dieser Rolle zu sein. Im echten Leben liefen die Dinge für ihn nicht so gut. Im Laufe der Zeit hatte seine Figur durch taktisches Geschick immer mehr zu bieten. Er hatte unzählige Gegner erlegt, Gold gesammelt und immer neue Waffen erworben.

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PC-Sucht / Computersucht

Wenn das Arbeiten und Spielen am Computer zu einer Beschäftigung wird, "bei der man Raum, Zeit und alles andere vergisst" und sich gedanklich und thematische "alles nur noch um den Computer und dessen Nutzung dreht", wird aus der Nutzung eines elektronischen Arbeitsmittels eine Flucht aus und vor dem wirklichen Leben.

Auch die - oft von Betroffenen selbst - herangeführten Argumente, dass PC-Spiele das Gehirn, die Konzentration, die Auge-Hand-Koordination, logisch strategisches Denken und soziale Fähigkeiten ("ich bespreche beim Multiplayer alles mit den anderen") fördern soll, hat gegenüber den Auswirkungen von exzessivem Spielen kaum noch Gewicht.

Interessant ist hier eine wissenschaftliche Studie der Charitee in Berlin, die nachweist, dass bei exzessiven Computerspielern die selben Hirnareale bei Auslösereizen überdurchschnittlich aktiviert werden, die bei Alkoholikern bei Auslösereizen hoch aktiv sind - jedoch nicht bei "unauffälligen" PC-Spiel- oder Alkohol-Konsumenten! Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, das "Sucht" neuronale Wurzeln hat und nicht ausschließlich an den Konsum bewusstseinsverändernder Substanzen gebunden ist.

Dass auch der Inhalt eines Spieles nicht unbedeutend ist, kann man daraus schließen, dass es (hoffentlich!) eine Welle der Empörung und des Widerstandes geben würde, wenn man "Vergewaltigung" oder "Grabschändung" als PC-Spiel verbreiten würde.

Zunehmend wird der Ruf nach dem Verbot von Gewaltspielen wie "Counter-Strike" gefordert. Dies geht an den unzähligen Möglichkeiten des "World Wide Web (www)" vorbei und droht nur, Menschen zu kriminalisieren, statt dafür zu sorgen, dass es attraktivere Betätigungsfelder gibt - auch ohne PC. Viele Menschen suchen innerlich nach Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten für Ihr Leben. Sie suchen Herausforderungen, Unbekanntes, wollen sich selbst ausprobieren und erfahren und der Gemeinschaft nutzen.

Die Nutzung des Computers im Beruf immer notwendiger und unumgänglicher! Umso dringlicher ist es, (wieder) einen guten Umgang mit diesem Medium zu finden.

Weiterhin ist Spielen an sich eine äußerst wertvolle Sache, die in Deutschland häufig zu kurz kommt. Nicht nur kleine Kinder, sondern auch Erwachsene haben Freude am Spiel. Hier kann man ausprobieren, entdecken, lachen und erfahren, wie eigenes Handeln auf andere wirkt.

Im "wahren" Leben ist eine ernsthaft-spielerische Grundhaltung, bei der man mutig investiert, Risiken eingeht und etwas neues ausprobiert absolut notwendig, um Chancen zu nutzen, etwas zu erwerben oder zu gewinnen und sich als kreativ und leistungsfähig erleben zu können.

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